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Interview Heilpraktikerversicherung


Aus dem Nähkästchen geplaudert, wo es u. a. darum geht, warum der Betrag der Gesetzlichen Krankenkasse für alle Versicherten um einiges steigt, wenn Heilpraktiker abgeschafft werden!

 

Folgendes Interview habe ich in „Qi“, der Zeitschrift für Chinesische Medizin (02/2021) gefunden und 1:1 abgetippt:

 

Keine Gefahr durch Heilpraktiker: „Zahlen lügen nicht!“, Johannes W. Steinbach

„Heilpraktiker richten viele Schäden an!“ Eine Aussage, die derzeit von zahlreichen Lobbyisten kolportiert wird. Doch stimmt das überhaupt? Wir haben bei jemandem nachgefragt, der es wissen muss: Robert Zellerer, Landesdirektor ‚Die Continentale‘ und seit 35 Jahren Berufshaftpflicht-Versicherer zahlreicher Heilpraktiker.

 

Herr Zellerer, wie viele Heilpraktiker sind derzeit bei Ihnen Berufshaftpflicht-versichert?

Von insgesamt rund 47.000 bundesweit tätigen Heilpraktikern sind derzeit rund 24.000 bei ‚Die Continentale‘ Berufshaftpflicht-versichert. Davon entfallen ca. 12.000 auf unsere Landesdirektion: Die Zellerer GmbH, die ihren Sitz in München und somit in dem Bundesland hat, in dem von allen 47.000 bundesweit tätigen Heilpraktikern nahezu die Hälfte praktiziert.

 

Wie schätzen Sie die Gefahrenlage in den Heilpraktikerpraxen ein: Kommt es häufig zu Schadensfällen?

Die Gefahrenlage ist definitiv sehr gering! Die Anzahl der Schadensfälle ist dermaßen minimal, dass ‚Die Continentale‘ nicht einmal einen eigenen Punkt in der Schadenstatistik für Heilpraktiker-Risiken vorsieht. Bei anderen Versicherern sieht es ähnlich aus. Weder bei manuellen Therapieverfahren wie Chiropraktik oder Osteopathie noch bei invasiven wie Akupunktur oder Neuraltherapie gibt es nennenswerte Schäden.

 

War das schon immer so?

Ich bin nun seit mehr als 35 Jahren in dieser Branche aktiv. In dieser Zeit hat sich der jährliche Beitrag für Berufshaftpflicht-Versicherungen von Heilpraktikern bei ‚Die Continentale‘ nahezu halbiert: von 300 DM netto (1985) auf 90 Euro netto (2020). Dagegen hat sich die Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden nahezu versechsfacht: von einer Million DM auf drei Millionen Euro. Und dass eine Versicherung den Beitrag nicht senkt bzw. die Versicherungssumme nicht erhöht, wenn tatsächlich viele Schadensfälle vorliegen würden, dürfte wohl jedem einleuchten. Wir Versicherer würden und müssten, wenn Heilpraktiker tatsächlich so schadensträchtig wären, die Beiträge schon entsprechend nach oben anpassen. Und dass man bei 35 Jahren durchaus von einem repräsentativen Zeitraum sprechen kann, steht wohl außer Zweifel: Zahlen lügen nicht!

 

Wie erklären Sie sich diese positive Entwicklung mit weniger Behandlungsschäden durch Heilpraktiker?

Meiner Meinung nach dürfte das vor allem daran liegen, dass sich das Angebot der Heilpraktikerschulen in diesem Zeitraum qualitativ und quantitativ stark verbessert hat. Die Gefahr der Patienten, wenn sie denn überhaupt jemals gegeben war, hat sich dadurch nachhaltig verringert. Wenn es dann doch mal zur Meldung eines vermeintlichen Schadens kommt, beruht dieser meist eher auf einer falschen Erwartungslage einzelner Patienten, die austherapiert zum Heilpraktiker gehen und dann oft Wunder erwarten – bzw. fordern, weil Heilpraktiker-Behandlungen überwiegend aus der eigenen Tasche zu zahlen sind. Bleibt dieses Wunder dann aus, muss ein Schuldiger gefunden werden, damit man zumindest finanziell noch was rausholen kann. Man sollte sich eher fragen, warum die Beiträge für Ärzte immer schneller steigen…

 

Wie genau sieht es denn bei den Ärzten aus?

Bei den vergleichbaren Beiträgen zur Berufshaftpflicht-Versicherung für Ärzte haben wir gegenüber der von den Heilpraktikern im Marktvergleich oft einen nahezu zehnfach höheren Beitrag. So kostet die Berufshaftpflicht-Versicherung eines Heilpraktikers bei ‚Die Continentale‘ derzeit 90 Euro netto jährlich bei einer Versicherungssumme von drei Millionen Euro für Personen- und Sachschäden. Ein Allgemeinarzt zahlt dagegen 866 Euro netto bei der gleichen Versicherungssumme. Aussagen wie: Heilpraktiker richten viele und hohe Schäden an‘ verunsichern deshalb nur und sind einfach nicht haltbar. Etwas Unwahres wird schließlich nicht richtiger, nur weil es von bestimmten Lobby-, Politik- und zum Teil auch Medienvertretern immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt wird!

 

Heißt das: ‚Alles perfekt!‘ Oder sehen Sie weiteres Verbesserungspotenzial bzgl. Ausbildung und freier Therapiewahl der Heilpraktiker?

Da gibt es durchaus noch einige Dinge, die weiter verbessert werden könnten. So sollten meiner Meinung nach gewisse Standards eingeführt werden. Diesbezüglich auf einem tollen Weg ist z. B. die ‚Initiative für Qualitätssicherung im Heilpraktikerberuf (IQHP), die sich u. a. für die folgenden Ziele einsetzt: geregelte Dokumentation der Ausbildungsnachweise für Berufsanwärter, mehr Verantwortung und Kontrollpflichten für die Heilpraktiker-Berufsverbände sowie Schaffung einer gesetzlich-rechtlichen Standesregelung und eines Beschwerde-Management-Centers für Patienten.


Unabhängig vom vorliegenden Zahlenwerk möchten Teile der Politik sowie einige Lobbyisten den Beruf des Heilpraktikers dagegen am liebsten abschaffen. Was halten Sie persönlich davon?

Davon halte ich gar nichts! Man sollte dem mündigen Bürger schon selbst überlassen, welche Behandlung bzw. welchen Behandler er wählt. Und auch die Politik sollte sich ruhig einmal fragen, ob das Heilpraktikerwesen nicht auch für sie zahlreiche Vorteile birgt. Einmal abgesehen vom wertvollen Beitrag der Heilpraktiker zur Gesundheit der Bevölkerung gibt es übrigens auch finanzielle Vorteile, die ich nochmals anhand einiger konkreter Zahlen erklären möchte. So beträgt das Jahresabrechnungsvolumen aller rund 47.000 hierzulande tätigen Heilpraktiker rund eine Milliarde Euro, wovon zirka 530 Millionen Euro auf Selbstzahler und 470 Millionen auf Versicherte privater Krankenkassen-Versicherungen (PVK) entfallen. Bei einer angenommenen Durchschnittshöhe einer Heilpraktiker-Rechnung von 150 Euro ergibt dies ein Stückzahlvolumen von etwas über drei Millionen Rechnungen pro Jahr. Geht man nun davon aus, dass der PKV-Versicherte nach Abschaffung des Heilpraktikerberufs zu einem Privatarzt geht, wird die Rechnungshöhe wohl eher 500 bis 1.000 Euro betragen. Bei Versicherten einer Gesetzlichen Krankenversicherung würden die Kosten durch den Wechsel vom Heilpraktiker zum Arzt auf Grund der gesetzlichen Vorgaben zwar nicht ganz so explodieren. Dennoch würden auch im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten steigen, weil ja dann der Kassenpatient, der den Heilpraktiker bisher selbst bezahlt hat, wieder zum Kassenarzt geht, was letztendlich alle gesetzlich Versicherten mitfinanzieren müssten.

Herr Zellerer, ich danke Ihnen für diesen Blick hinter die Kulissen und Ihre offenen Worte.